Startseite

SF Siegen: Lindemann
"Jetzt bin ich in NRW gefestigt"

Siegen: Lindemann hat den Sprung geschafft
FC Augsburg
15:30
Borussia Dortmund
18+ | Erlaubt (Whitelist) | Suchtrisiko | Hilfe unter www.buwei.de | -w-

Der Neuaufbau der Sportfreunde ist ein Verdienst von Lutz Lindemann. Der Sportliche Leiter hat in den vergangenen zwei Jahren eine Mannschaft geformt.

Und zwar eine Mannschaft, die am Ende dieser Saison aller Wahrscheinlichkeit nach den direkten Aufstieg in die Regionalliga feiert. Rückblick: Als der heute 62-Jährige am 25. September 2009 in Siegen vorgestellt wurde, kannte ihn kaum jemand. Dabei gehörte Lindemann im Osten der Republik zu den ganz großen. Der ehemalige Mittelfeldspieler absolvierte 21 Spiele für die Nationalmannschaft der DDR, spielte für den 1. FC Magdeburg, Wacker Nordhausen, Rot-Weiß Erfurt und Carl Zeiss Jena ganz oben. Am 13. Mai 1981 zog er sich letztmals das Trikot des FC Carl Zeiss über. Sein damaliger Coach war Hans Meyer, der ihn bis heute prägte.

Seine Laufbahn als Funktionär begann der in Halberstadt geborene Lindemann beim FC Erzgebirge Aue. Am 1. April 1992 wurde er Trainer der Lausitzer, um 2006 beim Halleschen FC den Sprung ins Management zu schaffen. RS sprach mit Lindemann über seine Zeit in Siegen, den Umbau des ehemaligen Zweitligisten sowie die Zukunftsaussichten.

Herr Lindemann, als Sie nach Siegen kamen, kannte Sie hier kaum jemand, während Sie im Osten ein Idol waren. Warum haben Sie den Schritt gewagt? Ich habe eine neue Herausforderung gesucht. Als die Kontakte zu den Sportfreunden zu Stande kamen, musste ich nicht lange überlegen. Schließlich handelt es sich um einen Traditionsverein, der ein professionelles Umfeld besitzt. Ich habe zu Beginn sicherlich zwei, drei Fehler gemacht, die in meiner Naivität begründet waren. Wenn man aus dem Osten kommt, hat man hier keinen Background, kein Netzwerk. Es hat gedauert, bis ich mir etwas aufgebaut hatte, aber jetzt bin ich in NRW gefestigt.

Und zwar so, dass Sie einen Aufstiegskandidaten geformt haben. Sind Sie mit dem bisherigen Saisonverlauf einverstanden? Ja. Wir können rundum zufrieden sein. Wir beurteilen die Situation nicht euphorisch, aber positiv. Die Mannschaft hat sich sehr schnell gefunden. Das ist ein Verdienst des Trainers Michael Boris. Er hat mit seiner Akribie und seinem Enthusiasmus ein Team geformt.

Es war Ihre Entscheidung, Boris zu verpflichten. Warum er? Michael und ich kannten uns nicht. Im Sommer standen Markus Reiter, Nico Michaty und eben Boris zur Auswahl. Die Entscheidung ist mir dann aber leicht gefallen. Die Art und Weise, wie sich Michael verkaufte, hat den Ausschlag gegeben. Er ist sehr selbstbewusst, aber nicht arrogant. Das mag ich, wenn junge Leute so sind. Ich war auch so.

In Homberg und Schalke hat Boris immer wieder mit emotionalen Spielan­sprachen für Aufsehen gesorgt. Heizt er das Team vor einem Spiel immer noch mit ungewöhnlichen Aktionen wie das Zeigen von Rocky-Filmen an? Ja. Auf dieser Strecke war sein Vorgänger Andrzej Rudy auch gut, aber damals hat uns die Qualität gefehlt. Doch Michael toppt das alles noch. Er bereitet sich klasse vor, liest unter der Woche was und hält dann eine Rede, bei der selbst ich als alter Hase eine Gänsehaut bekomme. Ich habe jahrelang unter Hans Meier gespielt. Der war ja schon verrückt, doch Michael setzt immer wieder einen oben drauf. Natürlich geht das nicht jede Woche, aber er weiß ganz genau, wann er diesen Joker ziehen muss. Das kann er perfekt.

Warum war der Start trotz des Perfektionismus‘ schlecht? Wir haben uns beim Auftakt in Ahlen haarsträubende Fehler in der Abwehr geleistet. Wir waren ja auch lange die einzige Mannschaft, gegen die die Rot-Weissen überhaupt einen Punkt geholt hatten. Das ist bitter und wurmt.

Nach einigen Wochen ging dann plötzlich ein Ruck durchs Team. Was war der Auslöser? Es war unser Freundschaftsspiel gegen den Deutschen Meister, das wir nur knapp mit 1:2 verloren haben. In diesem Match haben die Jungs viele Erfahrungen gesammelt, die sie mit in die Meisterschaft transportiert haben. Das Erlebnis BVB hat uns stark gemacht. Danach ging es immer bergauf. Natürlich hat uns auch das Lob von Jürgen Klopp gut getan, der uns als besten Fünftligisten, den er kennt, tituliert hat.

Lobeshymnen erntet das Team auch aus der Liga. Es gibt die Meinung, dass Siegen spielerisch besser als der Topfavorit aus Köln ist. Stimmt das? Das höre ich auch immer wieder. Wir haben das Hinspiel gegen die Viktoria unter irregulären Bedingungen verloren. Gewitter und Sturm haben ein normales Spiel nicht möglich gemacht und Köln hatte am Ende mehr Glück. Deshalb freue ich mich auf den Vergleich in der Rückrunde, bei dem es hoffentlich keine widrigen Umstände geben wird.

Das hört sich nach einer Kampfansage an. Wollen Sie nun auch Meister werden? Ich weiß nicht, ob es realistisch ist, zu sagen, dass wir Erster werden wollen. Man muss anerkennen, dass Köln stark ist. Sie sind gut besetzt und werden recht ungefährdet durchmarschieren. Allerdings interessiert uns die Viktoria auch nicht. Wir wollen direkt aufsteigen und dafür reicht auch Platz zwei oder drei.

Viele Kritiker schimpfen über die Regionalliga. Sie sei wegen der vielen Reserveteams nur eine Totenliga. Wie sehen Sie das? Ich kann solche Aussagen nicht verstehen. Erst einmal ist ein Aufstieg etwas Besonders. Außerdem ist die vierte Klasse eine tolle Herausforderung. Auch wenn man gegen viele Zweitvertretungen spielt, ist es klasse, sich mit den Bundesligastars von morgen messen zu dürfen. Wir wollen auf jeden Fall hoch.

Die Regionalliga soll aber noch nicht das Ende der Fahnenstange sein. Nein, mit Sicherheit nicht. Ich hoffe, dass die Unterstützung aus der Politik und Wirtschaft in Zukunft noch größer wird, damit für Siegen die dritte Liga wieder machbar ist. Wir haben ein Konzept, das vorsieht, dass wir im zweiten oder dritten Jahr den Aufstieg in die dritte Klasse in Angriff nehmen möchten.

Das Umfeld hat Siegen bereits. Im Schnitt pilgern 2.081 Anhänger zu den Heimspielen. Stimmt. Wir haben die besten Fans der Liga. Genau die sind auch der Reiz, hier zu arbeiten. Siegen ist ein Traditionsverein, der Hunger hat, anzugreifen. Das spüren die Leute und stehen zu uns.

Vor Jahren sind die Fans aufgefallen, es gab Stadionverbote. Wie haben Sie das Hooligan-Problem in den Griff bekommen? Ich sehe hier keine Hooligans oder Randalierer, nur emotionale Leute. Sie identifizieren sich mit dem Verein und wollen nur das Beste. Aber natürlich ist es nun viel ruhiger, denn das Zusammenwirken zwischen Polizei, Fanbeauftragten und Anhängern ist klasse. Die Fans befrieden und reinigen sich selbst, sorgen für eine fantastische Atmosphäre. Und die soll am besten im Mai in einer großen Aufstiegspartie gipfeln.

Deine Reaktion zum Thema
Neueste Artikel