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Wer ist ein Held?
Schalke-Fans als Seismografen im Fußball

RS-Kommentar: Wer ist ein Held?
FC Schalke 04
13:00
SpVgg Greuther Fürth
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Schalkes Fans und Spieler sind zerrissen: Wie sollen sie sich aus Respekt vor dem Gegner verhalten, wenn es am Samstag gegen Hannover wieder um Fußball geht?

Es ist die Woche eins nach dem Tod von Robert Enke, und der Fußball kehrt langsam zur Normalität zurück. Noch tief im Gedenken an den verstorbenen Nationaltorhüter hat das Länderspiel Deutschland gegen Elfenbeinküste am Mittwochabend einen ersten Schritt in den Alltag der Profis und deren Fans geleistet. Und es ist gewiss noch nicht business as usual, wenn am Wochenende auch in der Bundesliga wieder der Ball rollt. Insbesondere auf Schalke wird, ja muss, die Stimmung noch zurückhaltend sein, wenn Hannover 96 die Trauerarbeit nach dem Verlust seines Kapitäns aktiv gestaltet.

Für alle Beteiligten ist es sicher eine der schwierigsten Aufgaben, der sie sich in ihrem Leben mit dem Fußball stellen mussten. Wie etwa soll sich Kevin Kuranyi, ein früherer Mitspieler Enkes im DFB-Trikot freuen, sollte ihm am Samstag das 1:0 gegen Florian Fromlowitz, Enkes bisherigen Stellvertreter und jetzigen Nachfolger, gelingen? Und wie sollen die Schalker Fans den Treffer bejubeln oder vorher ihre Mannschaft anfeuern, da doch Häme und Spott gegenüber dem jeweiligen Gegner zur Folklore in der Kurve gehört?

Jeder im Stadion wird befangen sein, mit der sonst so gewohnten Situation nicht richtig umgehen können. Enkes tragische Flucht aus dem Leben hat sein Umfeld ratlos hinterlassen, und die gewaltige Trauerfeier am vergangenen Sonntag hat diese Wirkung noch tausendfach verstärkt.


Denn bei allem Verständnis für den Wunsch all der Leute, von einem sympathischen Menschen und tollen Sportler Abschied nehmen zu wollen: Hoffentlich hat die Inszenierung in Hannovers Stadion nicht noch eine fatale Folgewirkung auf den Teil unserer Gesellschaft, in der das Zeigen von Schwäche nicht anerkannt wird. Enke ist eben kein Held, als der er im Rahmen der größten Trauerfeier im Nachkriegs-Deutschland hochstilisiert wurde. Er wäre einer gewesen, hätte er den Mut und die Kraft gehabt, sich offen zu seinen schwerwiegenden Problemen zu bekennen und sie von Fachleuten behandeln zu lassen - auch auf die Gefahr hin, seinen Platz im Tor zu verlieren.

Nein, Enke hat mit seinem Selbstmord etliche Menschen mit in den Abgrund gerissen - seine Frau, Verwandte wie Freunde und nicht zuletzt den Lokführer, der ihn am Dienstagabend vor einer Woche überrollt hat.

Nun überrollt den Spitzensport eine Diskussion, in der im Umgang mit Tabus wie Depressionen und Homosexualität eine Kehrtwende gefordert wird. DFB-Präsident Theo Zwanziger geht in dieser beispielhaft und mit guten Worten voran, doch erst die nächsten Jahre werden zeigen, ob Enkes Freitod dann wenigstens einen positiven Effekt hatte.

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